05. Oktober 2022
Gebäude, die Energie erzeugen, gehören zur wichtigen städtischen Infrastruktur. In Leipzig-Möckern gelang mit dem Neubau eines Blockheizkraftwerks eine elegante, ästhetische Integration in den städtebaulichen Kontext – „ein atmosphärischer Gewinn für Stadt und Gesellschaft“ urteilt die Jury und verleiht thoma architekten den Deutschen Fassadenpreis 2022 für Vorgehängte Hinterlüftete Fassaden (VHF). Am 29. September 2022 wurden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung neben dem Hauptpreis, vier Anerkennungen an die Architektinnen und Architekten sowie ihre Bauherren vergeben. Der FVHF lobt den renommierten Architekturpreis bereits zum 14. Mal aus.
„Es war die Herausforderung des Fassadenkleides sich einerseits in Zurückhaltung zu üben und gleichzeitig städtische Anziehungskraft auszustrahlen“, beschreibt Susann Stiehl, Projektleiterin bei thoma architekten die Bauaufgabe. Ziel war eine sehr langlebige Fassade, die sich in ihre Einzelkomponenten zerlegen und wiederverwerten lässt. Gleichzeitig sollte die Fassade als Blickfang auch die Funktion des Gebäudes abbilden. Die Bauart der „Vorgehängten Hinterlüfteten Fassade“ bot den Architekten den möglichen Spielraum für ihre individuellen Entwurfsideen.
Gemeinsam mit einem unkonventionell denkenden Fassadenfachverleger, der die Aluminiumbleche jeweils zuschnitt und falzte, entwickelten die Planer eine einmalige Metallfassade, die aus dem direkt beauftragten Profanbau in der Stadt etwas ganz Besonderes machte. So bekleideten sie die VHF mit insgesamt zehn unterschiedlich dimensionierten Fassadenschindeln aus eloxiertem Aluminium. Deren jeweilige Dreieckform schließt sich an der Fassadenansicht zu einem diffusen, energiegeladenen Wirbel zusammen.
Die Jury zeigte sich vom technisch-pragmatischen Gebäudeentwurf, der gepaart ist mit einer künstlerisch gestalteten Fassade beeindruckt und zeichnete das BHKW mit dem Deutschen Fassadenpreis 2022 für VHF aus. „Durch die Fassadengestaltung bietet das rein technische Gebäude einen atmosphärischen Gewinn für Stadt und Gesellschaft. Der Entwurf setzt ein Zeichen dafür, dass alles Gestaltungsaufgabe ist und gute Architektur etwas nach außen zurückgibt“, heißt es in der Jurybegründung.
Vier weitere Architekturbüros und die jeweiligen Bauherren erhielten für ihre herausragenden Projekte Anerkennungen:
Die fünf preisgekrönten Bauten illustrieren ebenso wie die Vielzahl an hochkarätigen Einreichungen die Gestaltungskraft der VHF und ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Das Preisgeld von zusammen 10.000 Euro wird mit 5.000 Euro für den Gewinner und je 1.250 Euro für die vier Anerkennungen aufgeteilt.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Baukultur und Bauindustrie im Dialog
Zur feierlichen Preisverleihung am 29. September 2022 im Deutschen Architektur Zentrum DAZ begrüßten Moderator Dr. Thomas Welter, Geschäftsführer des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA und der Vorstandsvorsitzender des FVHF, Andreas Reinhardt, neben den Nominierten und ihren Bauherren rund 120 Gäste aus Bauindustrie und Baukultur.
Mit einen eindringlichen Impulsvortrag zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Bauwesen bildete Andrea Müller von Architects for Future den Auftakt der Preisverleihung und sendete zugleich einen dringenden Appell, kreislaufgerecht und CO2-reduzierend zu planen und zu bauen. Daran anknüpfend appellierte Tim Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, das Vergaberecht zu reformieren und recycelte und alternative Baustoffe aufzuwerten. So ist die nachhaltigere Variante der wirtschaftlichen vorzuziehen.
Ein Grußwort aus Potsdam sendete der Jury- und Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel. Er berichtete aus der Jurysitzung, die die „Qual der Wahl“ hatte und zeigte sich begeistert von der hohen Ausführungsqualität und Präzision der eingereichten Arbeiten. Mit der VHF wird die Fassade zum nachhaltigen Element des Bauens und Umbauens und zum tragenden Baustein für die Gestaltung eines neuen Gebäudes. Für das langjährige baukulturelle Engagement dankte der Juryvorsitzende zudem dem Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.V., der den Deutschen Fassadenpreis für VHF seit 1999 im zweijährigen Rhythmus für ausgezeichnete Gebäudehüllen vergibt.
Wie die Themen Wiederverwendung, Recycling und Ressourcenschonung heute in der Lehre und Praxis im Architekturbüro gelebt werden, berichteten – kurz vor der Verkündung des Preisträgers – die Jurymitglieder Katharina Benjamin, Dozentin an der TU Dresden/ TU Braunschweig und Gründerin von Kontextur sowie Alexandra Wagner von allmannwappner und Nils Nolting von CITYFÖRSTER – beide Preis- und Sonderpreisträger des Deutschen Fassadenpreises für VHF 2020. Der Nachwuchs und die Architektenschaft haben nach ihren Erfahrungen ein sehr geschärftes Bewusstsein, alternativ und mit weniger Materialverbrauch zu bauen. Mit Blick auf den Preisträger und die Anerkennungen des diesjährigen Deutschen Fassadenpreises für VHF zeigt sich, dass Gestaltungsfreiheit und nachhaltiges Bauen sich gewinnbringend ergänzen können.
Die wichtigsten Informationen zum Preis sind im angefügten Factsheet sowie in der begleitenden Architekturdokumentation enthalten. Die Höhepunkte der Preisverleihung zum Nachsehen sowie weitere Hintergründe zur Bedeutung des Preises mit persönlichen Statements und Portraits stehen demnächst auch auf dem FVHF-Youtube-Channel zur Verfügung.
Eine profane Bauaufgabe im städtischen Umfeld: Das Blockheizkraftwerk Leipzig-Möckern mit einer VHF aus eloxierten Aluminiumschindeln ist der Preisträger des Deutschen Fassadenpreises 2022 für Vorgehängte Hinterlüftete Fassaden. Foto: Ralf Dieter Bischoff
Die Gebäudekubatur ergab sich aus den technischen Anforderungen eines BHKWs. Mithilfe der VHF gelang die gewünschte elegante, ästhetische Integration in den städtebaulichen Kontext. Foto: Ralf Dieter Bischoff
Zehn unterschiedlich dimensionierte Aluminium-Dreiecke sind so angeordnet, dass sich die Verläufe der Schindeln als Wirbel auf der Fassade abbilden. Foto: Ralf Dieter Bischoff
Technische Bestandteile des Kraftwerks, Leitern und Leitungen liegen außen. Die funktionale Infrastruktur des Gebäudes, wie Fallrohre, wurden in der VHF in die Dämmebene integriert. Foto: Ralf Dieter Bischoff
Gratulation – thoma architekten gewinnen den Deutschen Fassadenpreis 2022 für VHF (v. r. n. l.): Rica Maul, Stadtwerke Leipzig, Susann Stiehl, Projektleiterin bei thoma architekten und Andreas Reinhardt, Vorstandsvorsitzender des FVHF. Foto: Maren Strehlau
Eine gelungene Preisverleihung geht zu Ende: Preisträger und Anerkennungen auf der Bühne. Foto: Maren Strehlau
Das denkmalgeschützte Schauspielhaus Düsseldorf ist aus drei zusammengelegten Schichten konzipiert, die als weiche Formen horizontal gestapelt sind. Die Fassadenbekleidung aus gewelltem und farbbeschichtetem Aluminiumblech führt ohne störende Zäsur über den Dachrand und entspricht im Erscheinungsbild der Ursprungsfassade. Architektur: ingenhoven associates | Foto: HGEsch
Die Neubauten für das Landesmuseum für Volkskunde im Museumsdorf Molfsee erinnern hinsichtlich ihrer Formgebung an regionale Bauernhäuser. Mit wetterfestem Baustahl einheitlich bekleidet werden Dach und Wand durch architektonische Transformation zur skulpturalen Großform, die Gebäude selbst zu Artefakten. Architektur: ppp architekten + stadtplaner gmbh | Foto: Stephan Baumann
Das Büro- und Verwaltungsgebäude Luisenblock West im Berliner Regierungsviertel ist ein schlichter Baukörper mit sehr differenzierter Fassade: Wirkungsvoll bekleidet die VHF den mehrgeschossigen Holzmodulbau. Aluminiumkassetten, farbige Glaspaneele und farblich modifizierte Fensteröffnungen wechseln sich ab und erzeugen eine vielschichtige Ansicht. Architektur: sauerbruch hutton gesellschaft von architekten mbH | Foto: Jan Bitter
Mit der neuen VHF wurde der Wärme-, Brand- und Schallschutz der Wohnhochhäuser Gret-Palucca-Straße 9 und 11 in Dresden vollumfänglich verbessert. Mittels stehender Rechteckformate der Fassadenbekleidung aus Metall betonen die Architekten die Vertikalität der Hochhäuser. Architektur: S&P Sahlmann Planungsgesellschaft für Bauwesen mbH | Foto: Lothar Sprenger