27. November 2019
Über 150 Architekten, Planer, Fassaden-Fachverleger und Vertreter der Industrie folgten der Einladung des FVHF zum 18. Deutschen Fassadentag nach Berlin. Das hochkarätige Vortragsprogramm unter dem Titel „Multifunktional und intelligent: VHF – Die Fassade mit Mehrwert“ bot einen breiten Spannungsbogen von der universitären und institutionellen Forschung nach neuen Materialien und Anwendungsmöglichkeiten bis zur konkreten Praxis und der Komplexität der Fassade im Planen und Bauen. Einheitlicher Tenor: Die Fassade soll robust und individualisierbar sein und sowohl funktionell als auch gestalterisch auf die Umgebung reagieren.
Die Keynote zur Entwicklung der Fassade und inspirierende Einblicke in seine Forschungstätigkeit an der TU Delft und TU Darmstadt gab Prof. Dr.-Ing. Ulrich Knaack. Sein besonderes Interesse gilt der Weiterentwicklung der Fassade in Hinsicht auf innovative Funktionalitäten. Ob smarte Materialien oder additive Herstellungsmethoden – in den Delfter und Darmstädter Versuchslaboratorien werden unterschiedlichste Materialkombinationen auf ihre Zukunftsfähigkeit hin getestet. Von Moderator Dr. Thomas Welter (Geschäftsführer Bund Deutscher Architekten BDA) als „Grenzgänger“ vorgestellt, ist für den Architekten und Bauingenieur Knaack in der Forschung und Individualisierung des Bauens alles möglich.
Solare Bauprodukte
Konkret wurde es dann schon im zweiten Vortrag des Tages: Dr.-Ing. Jan-Bleicke Eggers, Projektleiter im Themenbereich BIPV am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, berichtete über den Forschungsstand kundenspezifischer »solarer Bauprodukte« und ihre nachhaltige lokale Wertschöpfung. Für ein zukünftiges regeneratives Energiesystem sind weitläufige Flächen für Photovoltaik und Solarthermie notwendig. Große rentable Flächen sind an Gebäuden ausreichend vorhanden, um PV-Module und Kollektoren ohne weiteren Flächenverbrauch zu installieren. Für Eggers stellt zudem die Digitalisierung von Planung, Fertigung und Bau der Fassade sowie die intensive Kommunikation zwischen Architekt und Hersteller eine Grundvoraussetzung dar, um die architektonische Integration und die Qualität für den Massenmarkt zum Erfolg zu führen.
Digitaler Zwilling
Auch für Dipl.-Ing. Gregor Kassl, Associate Director bei Arup und ausgewiesener Experte für sämtliche Phasen der Fassadenplanung, ist die multidisziplinäre Planung essentiell. Zugleich stellt sich für die „Gebäudehülle der Generation Y“ die Frage nach den Funktionalitäten. Sollte die Urhütte die Bewohner früher nur schützen, muss ein Gebäude heute auch einen baukulturellen Mehrwert leisten. Darüber hinaus entstehen neue Geschäftsmodelle, können fünf Gebäudeflächen „bewirtschaftet“ werden, z.B. mit Schallschutzelementen oder als Grünfassade. Dafür bedarf es eines »digitalen Zwillings«, der jedes Bauteil erfasst und mit einem konsistenten 3D-Model und Datenmanagement den gesamten Lebenszyklus nachhaltig überwacht.
Robustheit und Reduktion
Robustheit und die Reduktion auf das Wesentliche stehen für die Dipl.-Ing. Architektin Julia Dahlhaus, Vorsitzende des BDA Berlins, bei der Gestaltung der Fassade im Vordergrund. Konsens in der Gesprächsrunde mit den Vorrednern über klimagerechtes Planen und Bauen war der Wunsch an die Industrie, Architektinnen und Architekten gestalterisch in die Produktentwicklung einzubeziehen. Von Bauherren und Politik forderte die Runde Neuerungen durch Änderungen im Baurecht leichter möglich zu machen. „Es ist ein Drama, wie wenig Fassaden wert sind“, beklagte Dahlhaus und sprach sich dafür aus, auch außerhalb der EnEV denken zu dürfen. Im Hinblick auf BIM und die Nachhaltigkeit von Produkten wurde ein unabhängiges Bewertungssystem gefordert, um digitales Bauen und die gesammelten Daten besser bewerten zu können.
Klima als architektonisches Instrument
In den zweiten Teil des 18. Deutschen Fassadentags führte Prof. Sven Pfeiffer, Gastprofessor für Digitales und Experimentelles Entwerfen an der Berliner Universität der Künste. Am Institut für Architektur- und Städtebau werden digitale Entwurfsstrategien mit BIM und 3D-Printing verbunden. In digitalen Simulationen wird beispielsweise das Klima als architektonisches Instrument untersucht, um Wind und andere Klimadaten in den Architektur- und Städtebauprozess zu integrieren. Ziel ist die Erstellung eines Bauteil-Katalogs.
Erweiterte Wirklichkeiten
Experimentell ging es anschließend weiter. Technik und Illusion sind die magischen Zutaten von Andreas Axmann, der die Gäste mit Spezialeffekten aus dem Tablett sprichwörtlich verzauberte und zugleich animierte über den Tellerrand zu blicken, Visionen zuzulassen und mit Spaß an neue digitale Technologien heranzugehen.
Digitalisierung im Handwerk
„Bauen soll wieder Spaß machen!“, das und nicht weniger ist auch der Anspruch von Michael Heil, Geschäftsführer vom eBusiness KompetenzZentrum, das die Digitalisierung im Handwerk vorantreibt. Die Plattform unterstützt digitale Geschäftsprozesse und intelligente Assistenzsysteme, um die Produktivität und den Gewinn zu steigern. Das Smartphone gehört für Heil zur Grundausstattung eines jeden Handwerkers und kann für Stundenabrechnung, Aufmaße aller Art, Angebote und mehr verwendet werden.
Lebendiger Branchentreff
Der 18. Deutsche Fassadentag fand am 21. November auf dem GLS Campus in Berlin statt. Die vom Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.V. (FVHF) ausgerichtete Veranstaltung hat sich zu einem bedeutenden Branchentreff für Architekten, Planer, Fassaden-Fachverleger und Vertreter der Industrie entwickelt. Er gehört neben dem Deutschen Fassadenpreis für VHF zu den wichtigsten Formaten des Fachverbandes und greift aktuelle Themen rund um die Gebäudehülle auf.
Im Vorfeld des Vortragsprogrammes waren die Mitglieder des FVHF zur Besichtigung des Futurium – Haus der Zukunft geladen. RICHTER MUSIKOWSKI Architekten hatten für das Gebäude an der Spree 2018 eine Anerkennung beim Deutschen Fassadenpreis für VHF erhalten.
Die Pressemeldung zum 18. Deutschen Fassadentag® können Sie sich hier herunterladen.