20. Deutscher Fassadentag des FVHF rückt Gebäudehülle der Zukunft in den Fokus

Zukunftsweisende Architektur trifft visionäre Forschung

30. September 2025

Zukunftsweisende Architektur trifft visionäre Forschung

Unter dem Motto „VHF – Wegbereiter der Klimawende“ lud der Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.V. (FVHF) am 25. September 2025 zum 20. Deutschen Fassadentag in das Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart ein. Der Veranstaltungsort hätte passender nicht sein können: Der ikonische Pavillon von Frei Otto steht exemplarisch für gestalterische Innovation und materialbewusstes Bauen – und bildete den idealen Rahmen, um den Blick in die Zukunft zu richten. Über 140 Gäste aus Architektur, Forschung und Industrie kamen zusammen, um zukunftsweisende Technologien weiterzudenken und die Rolle der Gebäudehülle in der Klimawende neu zu definieren.

FVHF-Geschäftsführer Wolfgang Häußler eröffnete die Jubiläumsveranstaltung mit einem Appell an die Verantwortung der Baubranche für die Klimawende. Die vorgehängt hinterlüftete Fassade (VHF) vereine Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Gestaltungsfreiheit und Kreislaufwirtschaft – und sei damit weit mehr als ein konstruktives Fassadensystem. Mit dem 20. Deutschen Fassadentag wolle der Verband ein Zeichen für Innovation, Wissenstransfer und eine zukunftsfähige Baukultur setzen.

Bauen weiterdenken – vom Labor in die Praxis
Im Anschluss an die Eröffnung knüpfte Prof. Dr.-Ing. Lucio Blandini, Leiter des ILEK, an den Appell zur gemeinsamen Verantwortung für den Bauwandel an – und rief zur engeren Verzahnung von Forschung, Planung und Industrie auf: Innovationen müssten schneller in reale Anwendungen überführt werden. „Es reicht nicht mehr, Innovationen für Fachpublikationen zu entwickeln – wir müssen sie gemeinsam mit Partnern umsetzen, testen und weiterentwickeln. Die Herausforderungen der Gegenwart brauchen Antworten, die in der Praxis bestehen können“, so Blandini.

Anhand des adaptiven Demonstratorhochhauses D1244 – einem modularen Forschungsturm mit rückbaubaren Fassaden-Mock-ups – zeigte er, wie sich Hüllen als Testfelder nutzen lassen. Die Systeme reichen von faserbasierten Leichtbaufassaden über kinetische Sonnenlenksysteme bis hin zu Doppelfassaden. Bereits am Vormittag hatten die Gäste das Gebäude bei einer exklusiven Führung besichtigt.

Textile Hülle für Klimaresilienz
Im Anschluss stellte Prof.‘in Dr.-Ing. Christina Eisenbarth (TU Darmstadt) das Forschungsprojekt HydroSKIN vor, das im Rahmen ihrer Promotion am ILEK entwickelt wurde. In ihrer Präsentation zeigte sie eindrucksvoll, wie textilbasierte Fassadensysteme zur urbanen Klimaanpassung beitragen könnten. Die mehrlagige Leichtstruktur nimmt Regenwasser direkt an der Fassade auf, filtert es und führt es – je nach Bedarf – der Gebäudeversorgung oder der natürlichen Verdunstungskühlung zu.

Neben der Reduktion von Trinkwasserverbrauch und Energiebedarf bietet das System auch in heißen Städten einen potenziell wirksamen Schutz vor Überhitzung. Besonders im Gebäudebestand könne HydroSKIN durch sein geringes Flächengewicht und die modulare Bauweise neue Lösungswege eröffnen. „HydroSKIN funktioniert wie eine intelligente, klimaaktive Hülle: Sie speichert Regenwasser direkt an der Fassade und nutzt es zur natürlichen Kühlung – sauber, ressourcenschonend und perspektivisch überall nachrüstbar“, fasst Prof.‘in Dr.-Ing. Christina Eisenbarth zusammen.

Fassaden als Wärmequelle – neue Perspektiven für die Energiewende
Nach dem Fokus auf Wassermanagement und urbane Resilienz richtete Dr.-Ing. Federico Giovannetti vom Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) den Blick auf ein anderes Potenzial der Gebäudehülle: ihre Nutzbarkeit als Wärmequelle für Wärmepumpensysteme. In seinem Vortrag präsentierte er aktuelle Forschungsprojekte, in denen vorgehängte hinterlüftete Fassaden als thermisch aktive Bauteile untersucht werden – mit dem Ziel, sie in bestehende Versorgungssysteme zu integrieren oder sogar als alleinige Quelle zu nutzen.

„Die VHF kann mehr als nur Gebäudehülle sein – sie birgt das Potenzial, eine alternative Wärmequelle zu werden. Unsere Forschung zeigt, dass sich Funktion und Gestaltung nicht widersprechen müssen – doch die Umsetzung erfordert klare Prozesse, abgestimmte Planungstools und engagierte Partner“, so Giovannetti. Die größten Herausforderungen liegen danach in der Planung und Koordination zwischen den beteiligten Gewerken – sowie in der Entwicklung praxistauglicher Standards.

Vertikale Begrünung mit System
Felix Mollenhauer (Bundesverband GebäudeGrün e.V.) stellte die breite Wirkungspalette der Fassadenbegrünung vor – von Temperaturregulierung und Luftreinigung über Schallschutz bis hin zur Förderung von Biodiversität im Stadtraum. VHF böten dafür ideale Voraussetzungen, etwa durch modulare Nachrüstung und konstruktiven Schutz.

„Fassadenbegrünung ist kein Allheilmittel – aber ein wirkungsvoller Baustein zur klimaresilienten Stadt“, fasste Mollenhauer zusammen. Vorgehängte hinterlüftete Fassaden bieten dabei gleich mehrere Vorteile: Sie ermöglichen eine klare Trennung von Tragschicht und Bekleidung, erlauben einfache Nachrüstungen und schützen die Baukonstruktion – ideale Voraussetzungen für eine reversible Begrünung. Gemeinsam mit dem FVHF und dem VFF wurde dazu ein Merkblatt entwickelt, das technische und gestalterische Möglichkeiten aufzeigt.

Fassade als Wasserspeicher – vom Konzept zur Anwendung
Dr. Mirko Hänel (ttz Bremerhaven) präsentierte das interdisziplinäre Netzwerk Funktionsfassade, das Akteure aus Forschung, Industrie und Planung zusammenbringt, um gemeinsam marktfähige, ressourceneffiziente Fassadentechnologien zu entwickeln und in realen Bauprojekten umzusetzen.

Im Fokus steht ein neu entwickeltes, modulares Speichersystem, das bis zu 40 Liter Regenwasser pro Quadratmeter aufnimmt und gezielt vom Dach in die Fassade eingeleitet. „Unser Ziel war ein robustes, bezahlbares und praxistaugliches System – nicht im Labor, sondern an der Fassade“, so Hänel. Erste Reallabore entstehen in Berlin und Bremerhaven, internationale Projekte folgen im Rahmen des Nachfolgeprojekts Urban Adaptation.

Energie an der Fassade sichtbar machen
Fabian Flade (Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e. V.), plädierte für eine stärkere Nutzung von Fassaden zur Stromgewinnung – insbesondere im urbanen Raum. Anhand preisgekrönter Beispiele aus dem In- und Ausland zeigte er, dass Energiegewinnung und Architektur keine Gegensätze sein müssen. „Photovoltaik muss raus aus der Nische – sie gehört dorthin, wo Fläche ist: an die Gebäudehülle. Je früher wir anfangen, einfache wie anspruchsvolle Lösungen zu realisieren, desto größer unser Beitrag zur Energiewende“, so Flade.

Heizen über die Hülle: CEPA als Lösung für den Gebäudebestand
Thomas Buchsteiner stellte CEPA vor, die Energiefassade für Sanierungen, die Dämmen, Heizen, Kühlen und Speichern in einem System vereint. Sie überträgt Energie über die Hülle ins Mauerwerk, das zugleich als Speicher dient. „Wir bringen die Haustechnik nach draußen – und erschließen die Fassade als funktionale Schnittstelle zwischen Energieerzeugung, Speicher und Komfort“, so Buchsteiner. Die Lösung funktioniert im Niedertemperaturbereich, ist energieträgerunabhängig und lässt sich auch im bewohnten Zustand montieren – individuell oder seriell.

Fazit: Gebäudehülle als Schlüssel der Klimawende
Die Vorträge machten deutlich: Die vorgehängte hinterlüftete Fassade ist weit mehr als eine Baukonstruktion – sie wird zur klimaaktiven Gebäudehülle, die Energie erzeugt, Wasser speichert, Städte kühlt und neue Gestaltungsräume eröffnet. Damit zeigt sie ihr enormes Potenzial, ein Schlüsselbaustein der Klimawende im Gebäudebereich zu werden.

Zum Abschluss dankte FVHF-Vorstandsvorsitzender Andreas Reinhardt allen Referierenden und Gästen für die inspirierenden Beiträge und die lebhaften Diskussionen. Er betonte, dass der Verband die gewonnenen Impulse aufgreifen und gemeinsam mit Planern und Partnern in konkrete Lösungen für die Fassade der Zukunft überführen werde.

Nach dem offiziellen Teil nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die besondere Atmosphäre unter dem Zeltdach von Frei Otto für Gespräche, Austausch und Vernetzung mit den Referenten.

Pressemeldung als Download


Fotos der Pressemeldung

Unter dem Dach von Frei Otto diskutierten Experten über die Zukunft der Gebäudehülle. Das Leichtbau-Gebäude, ein Vorläufer des Expo-Pavillons von 1967 in Montreal, gilt als Meilenstein der Architekturgeschichte. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Prof. Dr.-Ing. Lucio Blandini (ILEK) präsentierte das adaptive Forschungshochhaus D1244 als Labor für neue Fassadenkonzepte. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Prof.‘in Dr.-Ing. Christina Eisenbarth (TU Darmstadt) stellte mit HydroSKIN ein textilbasiertes Fassadensystem zur Regenwassernutzung und Verdunstungskühlung vor. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Dr.-Ing. Federico Giovannetti (ISFH) zeigte, wie Fassaden als Energiequelle für Wärmepumpen genutzt werden können. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Felix Mollenhauer (Bundesverband GebäudeGrün e. V.) erläuterte die vielfältigen Wirkungen und Systeme der Fassadenbegrünung. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Dr. Mirko Hänel präsentierte die Funktionsfassade mit integrierter Regenwasserspeicherung als praxisnahen Ansatz für klimaaktive Gebäudehüllen. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Fabian Flade (Allianz Bauwerkintegrierte Photovoltaik e. V.) zeigte internationale Best-Practice-Beispiele für solare Fassaden. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Thomas Buchsteiner stellte CEPA, die Energiefassade für die serielle und minimalinvasive Sanierung von Bestandsgebäuden, vor. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Nach dem offiziellen Programm nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die besondere Atmosphäre am ILEK für persönlichen Austausch und Vernetzung. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Intensive Gespräche mit Referenten und Gästen rundeten den 20. Deutschen Fassadentag in Stuttgart ab. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

Vor Beginn des 20. Deutschen Fassadentags erhielten die Gäste exklusive Einblicke in das adaptive Forschungshochhaus D1244 – ein weltweit einzigartiger Demonstrator für zukunftsweisende Gebäudehüllen. ©FVHF/Dennis Neuschaefer-Rube

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