300.000 Jahre lang lagen die bislang ältesten erhaltenen Jagdwaffen der Menschheit verborgen im Erdreich im Braunschweiger Land. Der Braunkohletagebau bei Schöningen hat weltweit bedeutende Fundstücke zutage gebracht, die ganz neue Erkenntnisse über das Leben des Homo erectus liefern. Nun sind die Exponate aus der Altsteinzeit am Ort der archäologischen Fundstelle im neuen Forschungs- und Erlebniszentrum paläon ausgestellt, das die Züricher Architekten Holzer Kobler Architekturen am Rande des ehemaligen Tagebaus realisiert haben.
Der skulpturale Bau steht als Solitär ohne städtebaulichen Kontakt inmitten der umgebenden Natur, die von der spiegelnden Gebäudehülle reflektiert wird. Streifenförmig schieben sich die brillierenden Fassadentafeln und Fensteröffnungen in den Himmel, mit der kraftvollen Dynamik eines geworfenen Speers, so scheint es.
Die Architekten verstehen das Gebäude als Camouflage, die die Landschaft hyperrealistisch abstrahiert. Eine ihrer Grundintensionen war es, im Fassadenbild gegeneinander verschobene Erdschichten darzustellen. Das System der vorgehängten hinterlüfteten Fassade ermöglichte ihnen, die Fassadenbekleidung in unterschiedlichen Schrägen anzuordnen. Wie aus einem Guss ließen sie die schmalen Aluminiumstreifen präzise um die Ecken des gesamten sechseckigen Baukörpers laufen. Auch die Untersichten des auskragenden Hauptgeschosses sind bekleidet. Die großen Fensteröffnungen wurden so angeordnet, dass sie einen visuellen Bezug zum Fundort bieten. Von außen fließt die Umgebung in die reflektierende Fassade aus Aluminium-Verbundplatten hinein, im Innern des Forschungs- und Erlebniszentrums überwiegen vor allem im Foyer rohe Materialien und kräftige Farben. Seitens der Gestaltung war größtmögliche Unregelmäßigkeit der einzelnen Plattenstreifen angedacht. Diese Heterogenität gelang mit zwei unterschiedlichen Breiten und einer raffinierten Fassadenplanung mit unregelmäßig schrägem Fugenverlauf.
Mittels durchdachter Unterkonstruktion führte die HMF Hübener & Möws Fassadentechnik GmbH die Planung der VHF passgenau von der Theorie in die Praxis. Um sichtbare Befestigungspunkte zu vermeiden, wurden die Verbundplatten auf schräg verlaufende Aluminiumprofile geklebt, die an Winkeln montiert sind. Diese Klebetechnik hatte der Verarbeiter im Vorfeld modifiziert und beim IFBT Leipzig – Institut für Befestigungstechnik – prüfen und genehmigen lassen. Schon die Position der Winkel musste auf innovative Weise mittels Lasertechnik am Rohbau ermittelt und markiert werden, bevor sie, gemäß dem Fassadenverlauf, am Rohbau fixiert werden konnten. Die Dämmung der VHF wurde so dimensioniert, dass die Hinterlüftung der Bekleidung für ausreichende Temperierung und Klimatisierung der Ausstellungsräume sorgt und das erforderliche konstante Raumklima gewährleistet ist.
„Die Fassade ist intelligent, präzise und sauber detailliert und trägt mit ihrer spiegelnden Oberfläche maßgeblich zum Verständnis dieser besonderen Bauaufgabe bei“, so die Jury des Deutschen Fassadenpreises für VHF 2013. Mit dieser Anerkennung honorierten die Jurymitglieder, wie das Zentrum „paläon auf außergewöhnliche Art und Weise Fassade, Inhalt, Ort, Landschaft und die besuchenden Menschen miteinander verbindet.“
Dieser Text stammt aus der Dokumentation "Ausgezeichnete Architektur" Deutscher Fassadenpreis 2013 für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF). Die Dokumentation steht hier zum Download bereit.